Wie der Ökotourismus die Menschen in der Landschaft des Jahres unterstützen soll

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Mangogärten liegen am Weg. Dort steigen Fischreiher auf. Hier ist der Fußabdruck eines Flusspferdes zu sehen. Auch die Affen in den Bäumen schauen neugierig, allerdings beobachten sie Wandernde am Gambiafluss. Dieser „Hiking-Trail“ sorgt immer wieder für neue Überraschungen.

Die blauen Markierungen hat der bayerische NaturFreund Gernot Henn mit einheimischen Helfer*innen angebracht. Tatsächlich könnte man die sechs Tagestouren auch alleine wandern. Vielleicht mithilfe eines GPS-Gerätes, alle Tracks stehen auf Outdooractive zum Download bereit. Doch interessanter ist es schon, wenn eine*r der vier lokalen Guides in Flora und Fauna einführt und Geschichten über die Region erzählt.

An den Gambiafluss kam Gernot durch die NaturFreunde Internationale (NFI). Die ruft alle drei Jahre eine grenzüberschreitende und ökologisch wertvolle Region als „Landschaft des Jahres“ aus, für die Jahre 2018–2020 ist das Senegal/ Gambia. Dann werden von der NFI auch sozialökologische Modellreisen organisiert, die die Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus inder Region fördern sollen. Gernot war Teilnehmer, kam nach Gambia und hatte die Idee mit den Hiking-Trails: Wandern im tropischen Galeriewald an den Ufern des Gambiaflusses.

Anfang 2019 reiste er nochmals nach Gambia, blieb zwei Monate und legte sechs Trails um die Kleinstadt Janjanbureh an. Die Distrikthauptstadt liegt auf der McCarthy-Insel im Gambiafluss, etwa 300 Kilometer von der Flussmündung im Atlantischen Ozean entfernt. Mehrere NFI-Veranstaltungen hatten hier bereits stattgefunden. Gernot bildete auch lokale Guides aus, die nun für die Hiking-Touren gebucht werden können.

Die Trails, die Guides, die Touren sollen einen nachhaltigen Beitrag zur Landschaft des Jahres bilden. Gernot versucht, gemeinsam mit den Einheimischen durch die Förderung des Ökotourismus kleine Einkommensquellen in einer der ärmsten Regionen Afrikas schaffen. Dabei ist ihm ein nachhaltiger Umgang mit Natur und Ressourcen wichtig, ebenso wie die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und der persönliche Austausch zwischen gambischen und europäischen NaturFreunden.

Damit jedoch sind wir mitten in einem Interessenkonflikt, der bereits sowohl in Leser*innenbriefen in der NaturFreunde-Mitgliederzeitschrift NATURFREUNDiN, als auch in diversen NaturFreunde-Gremien diskutiert wurde: Um die neuen Touren am Gambiafluss nutzen zu können, müssen europäische Tourist*innen mit dem Flugzeug anreisen. Auch wenn sich das Trekking-Angebot in erster Linie an Tourist*innen richtet, die sich bereits an der Küste befinden und mit den Trails weiter ins touristisch unerschlossene Landesinnere gelockt werden sollen, sind auch diese Reisende vorher nach Westafrika geflogen. Und damit konkurrieren die klimaschädlichen Effekte des Reisens mit den positiven Auswirkungen wie Einkommensentwicklung und Völkerverständigung.

Gernots Position dabei ist klar: Ein längerer Wanderurlaub mit intensiven Kontakten mit Einheimischen ist sinnvoll. Denn gerade in unserer globalisierten Welt sei der direkte Kontakt vor Ort unverzichtbar, so Gernot, insbesondere mit Menschen aus Ländern, aus denen viele Geflüchtete nach Deutschland gekommen sind.

Omar Jammeh, Direktor von JUST ACT, der NaturFreunde-Partnerorganisation in Gambia, sieht noch einen ganz anderen Effekt durch Gernots neue Trails. Die Begegnung mit an der Natur und der Bevölkerung interessierten Wandernden könne Einheimischen wichtige Impulse geben. Denn insbesondere die junge Generation interessiere sich bedauerlicherweise kaum für die eigene Natur oder das Wandern.

Wenn sich aber Fremde für die Schönheit der Natur in der eigenen Umgebung begeistern könnten, wachse auch deren Wert für Einheimische. Angesichts der schwierigen finanziellen Situation vieler Menschen in Gambia eröffne das ganz neue Perspektiven.

Ansgar Drücker