Beschluss des 30. ordentlichen Bundeskongresses der NaturFreunde Deutschlands
Die NaturFreunde Deutschlands treten für eine nachhaltige Entwicklung als Alternative zu TTIP, CETA und TiSA ein. Die NaturFreunde wollen mithelfen, die marktkonforme Weltordnung zu beenden und in eine sozialökologische Transformation hin zu einer solidarischen und fairen Weltordnung einzutreten. Die geplanten Freihandelsabkommen bleiben dagegen in der Ideologie des Neoliberalismus, die seit den 1980er Jahren die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zwischen Markt und Demokratie verschiebt, verhaftet.
Die enorme Anhäufung von Finanzvermögen im letzten Vierteljahrhundert hat den Hunger und die Armut auf der Welt weiter gefördert. Das Finanzvermögen wuchs um den Faktor 14, während das Weltsozialprodukt um das Fünffache anstieg. Seit den 1980er Jahren ist es aufgrund der Deregulierung der Finanzmärkte zu einer starken Internationalisierung der Anlage des Finanzvermögens gekommen. Dieses international vagabundierende Kapital entspricht heute etwa dem Dreifachen des Sozialproduktes der Industrieländer.
Ergebnis dieser Entwicklung ist die anhaltende Umverteilung von Einkommen und Vermögen von unten nach oben und als Folge der ständig zunehmenden Spekulationen in der Sphäre der Finanzindustrie, die Privatisierung der Leistungen der Daseinsvorsorge. Die beteiligten internationalen Konzerne kämpfen immer härter für eine weitere Privatisierung und Liberalisierung in den internationalen Beziehungen, um die marktkonforme Durchdringung aller gesellschaftlichen Bereiche zu beschleunigen. Die geplanten Freihandelsabkommen sind Teil dieser Strategie.
Die NaturFreunde lehnen diese Freihandelsabkommen als einen politischen und ökonomischen Irrweg ab. Diese Form der ökonomischen Globalisierung stärkt einseitig die Profite der transnationalen Konzerne und schwächt die Demokratie. Durch diese marktradikale ökonomische Unterwerfung der Welt werden die sozialen Probleme zugespitzt, Umweltkatastrophen befördert, Gewalt und Verteilungskämpfe angetrieben. Sie vertiefen die Spaltung der Welt in Nord und Süd.
NaturFreunde unterstützen Gegenbewegung
In vielen Staaten der EU hat sich eine breite Bewegung gegen die neoliberalen Freihandelsabkommen TTIP und CETA entwickelt. Mehr als drei Millionen Menschen haben die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP unterschrieben. Einem EU-weiten TTIP-kritischen Netzwerk aus mehr als 480 Organisationen aus allen Staaten der EU ist es gelungen, die Kritik an den Freihandelsabkommen in fast allen Staaten der EU in das Alltagsbewusstsein zu bringen. Durch das Netzwerk ist es gelungen, Aktionen und Proteste über Staatsgrenzen hinweg zu planen und zu organisieren.
Die NaturFreunde sind Teil dieses Netzwerkes und setzen sich für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung ein. Sie lehnen die rückwärtsgewandte Fokussierung der europäischen Regierungen auf Wirtschaftswachstum ab. Diese Politik zerstört die Lebensgrundlagen von Hunderten von Millionen Menschen. Mehr Wirtschaftswachstum in den Staaten des globalen Nordens wird die Armut und Ausgrenzung in den Staaten des globalen Südens weiter verschärfen, den Klimawandel beschleunigen und die Anzahl der Menschen, die aufgrund von Klimaveränderungen oder Umweltzerstörungen ihre Heimat verlassen müssen, dramatisch ansteigen lassen. Die ökonomische Krise lässt sich nicht mit mehr Wirtschaftswachstum überwinden, sondern nur mit einem nachhaltigen Umbau der Industriegesellschaft.
Bewegung vernetzen – Alternativen entwickeln
Die NaturFreunde unterstützen die Vorschläge, die TTIP-kritischen Bewegungen mit anderen Diskursen und Protesten zu vernetzen. Die systematische Zerstörung der peripheren Länder der EU, wie Griechenland oder Portugal, oder das ökonomische Zurückdrängen der öffentlichen Daseinsvorsorge aus fast allen Staaten der EU hat die gleichen Ursachen: Die Mächtigen in den ökonomischen Zentren versuchen, ihre Wettbewerbspositionen gegenüber der Peripherie weiter zu verbessern.
Auch die Bundesregierung unterstützt diesen einseitig auf Wachstum und Export ausgerichteten ökonomischen Kurs. Deutschland hat 2014 mit einem neuen Rekordwert den größten Exportüberschuss aller Länder erzielt. Die sogenannte Leistungsbilanz weist ein Plus von 285 Milliarden Dollar auf, für 2016 beträgt der Leistungsbilanzüberschuss voraussichtlich 310 Milliarden Dollar, einem Plus von ca. 25 Milliarden Dollar gegenüber 2015. Deutschland ist das dominierende Land in der Eurozone: Mit einem Bruttoinlandsprodukt von ca. 3 Billionen Euro erwirtschaftet es fast 30 Prozent der gesamten Wirtschafsleistung innerhalb der EU. Alleine seit Ausbruch der Finanzkrise hat der deutsche Staat mehr als 350 Millionen Euro an Zinsen vom griechischen Staat überwiesen bekommen.
Die NaturFreunde Deutschlands setzen sich für eine grundlegende Veränderung dieser wirtschaftspolitischen Ausrichtung ein. Die NaturFreunde Deutschlands fordern die Bundesregierung auf, diese rückwärtsgewandte Wirtschaftsideologie zu beenden und für eine grundlegende Veränderung der internationalen Beziehungen einzutreten. Die NaturFreunde Deutschlands erwarten zudem von der Bundesregierung, dass sie sich für eine sofortige Beendigung der Verhandlungen über die Freihandelsabkommen TTIP und CETA einsetzt.
Die NaturFreunde arbeiten im Bündnis „TTIP: unfairHandelbar“ mit, in dem über 90 Organisationen und Initiativen zusammengeschlossen sind, um TTIP und CETA zu verhindern. Gleichzeitig unterstützen sie die EU-weite Kampagne „STOP TTIP“ und sind Mitglied im Trägerkreis des Bündnisses „STOP CETA & TTIP“, das in den letzten Jahren zahlreiche Großdemonstrationen mit Hunderttausenden Teilnehmenden organisiert hat. Der Widerstand gegen TTIP und CETA hat hier eine ähnliche Dimension erreicht, wie in der Hochphase der Friedensbewegung oder der Anti-Atom-Bewegung.
Globalisierung braucht Gestaltung
Richtig ist: Die Globalisierung braucht Gestaltung. Die alte nationalstaatliche Politik ist längst an ihre Grenzen geraten. Die EU sollte die Leitidee der Nachhaltigkeit vertreten, von der sie so gerne redet. Das tut sie aber nicht. Selten hat die Politik so versagt wie bei der Freihandelspolitik – weniger das wallonische Parlament als vielmehr die EU-Kommission und auch die Bundesregierung.
Die NaturFreunde Deutschlands werden den Druck auf die Bundesregierung in den nächsten Jahren weiter erhöhen. Sie werden aktiv dazu beitragen, dass die Freihandelsabkommen zu einem wichtigen Wahlkampfthema werden. Ausdrücklich werden wir die Kandidat_innen für den Bundestag nach ihrer Haltung zu diesen Freihandelsabkommen fragen. Die Bundesregierung wird damit scheitern, TTIP und CETA gegen die große Mehrheit der Menschen durchzusetzen. Nicht die Profite der großen transnationalen Konzerne, sondern die Forderungen der Mehrheit der Menschen in Deutschland und den Staaten der EU müssen endlich in den Fokus der Regierungspolitik rücken.
Die NaturFreunde Deutschlands kritisieren TTIP, CETA und TiSA insbesondere in sechs Punkten:
- Wir wollen keine Wirtschafts-NATO. Nicht die marktkonforme Demokratie, sondern die Idee des Wohlfahrtsstaates ist eine zentrale Grundlage westlicher Partnerschaft.
- Wir kritisieren die zunehmende Verschiebung unseres Landes von einer demokratischen Republik zu einer ökonomischen Republik. Aus unserer Sicht muss die transatlantische und künftig globale Handelsarchitektur eine öffentliche und keine private Angelegenheit sein.
- Wir sehen mit Sorge die Aushebelung nationaler Souveränität. Die Demokratie baut auf Souveränität auf, sie darf nicht durch ein ökonomisches Interessenregime eingeschränkt werden.
- Für das Gemeinwohl und die Chancengleichheit sind öffentliche Güter unverzichtbar. Sie müssen gestärkt und dürfen nicht ausgeplündert werden.
- Die Paralleljustiz schafft einen Staat im Staate. Zur Demokratie gehört eine unabhängige Gerichtsbarkeit, deren Grundlagen demokratisch gefasste Gesetze sind, die nicht von privaten Interessen bestimmt werden.
- Die Staaten des globalen Südens werden noch weiter abgehängt. Der Freihandel darf nicht durch eine ökonomische Machtkonzentration zu Abschottungen und Ausgrenzungen führen.
Die NaturFreunde Deutschlands fordern
- die Fraktionen im Deutschen Bundestag und die Regierungen der Bundesländer auf, gegen die Ratifizierung von CETA zu stimmen;
- die Fraktionen im Deutschen Bundestag und im Europäischen Parlament auf, sich gegen weitere Verhandlungen über die Freihandelsabkommen TTIP und TiSA auszusprechen;
- die Landesregierungen und die Fraktionen in den Landesparlamenten auf, im Bundesrat bzw. in den jeweiligen Landesparlamenten gegen die Ratifizierung von CETA zu stimmen.
Die NaturFreunde Deutschlands fordern die Mitglieder der Landesparlamente und des Bundestags sowie ggf. des Europaparlaments persönlich sowie deren Parteien dazu auf,
- die Bundesregierung zu beauftragen, die am 1. April 2017 beginnende vorläufige Anwendung des CETA-Abkommens mit sofortiger Wirkung unter Berufung auf CETA Artikel 30.7 zu beenden.
- per Gesetz mit Verfassungsrang durch den Bundesrat, Bundestag und das Europaparlament zu bestimmen, dass künftig ausschließlich solche internationalen Abkommen verhandelt werden, die unmissverständlich als oberste Ziele das nachhaltige Gemeinwohl der betroffenen breiten Bevölkerungen, den wirksamen und nachhaltigen Schutz der natürlichen Umwelt und die nachhaltige Verwirklichung der Demokratie setzen.
- auf jegliche neben dem von Steuerzahler_innen finanzierten und allseits akzeptierten Rechtssystem etablierte neben-staatliche Schiedsgerichtsbarkeit zu verzichten.
- Verhandlungen über jegliche Abkommen des CETA-Typs unverzüglich zu beenden bzw. künftig zu unterlassen.
- künftige Verhandlungen über Freihandelsabkommen nicht nur mit größtmöglicher Transparenz zu gestalten, sondern auch an den hier beschriebenen Prinzipien eines gerechten Welthandels zu orientieren.
Die NaturFreunde werden
- sich weiterhin aktiv an den Bündnissen „TTIP unfairHandelbar“, dem EU-weiten Netzwerk „STOP TTIP“ und dem Bündnis „STOP CETA & TTIP“ beteiligen;
- sich in den Bundesländern, Städten und Regionen an den regionalen Bündnissen für einen gerechten Welthandel beteiligen;
- sich dafür einsetzen, dass die Städte und Regionen sich in ihren Parlamenten gegen TTIP, TiSA und CETA aussprechen und ihre kommunalen Gebietskörperschaften als „TTIP-frei“ erklären;
- ein bundesweites Netzwerk von NaturFreund_innen schaffen, die sich gegen die Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TiSA engagieren;
- Materialien und Referent_innen für den Themenkomplex Freihandel und gerechte Weltwirtschaftsordnung zur Verfügung stellen.
Der Bundesverband der NaturFreunde wird den Untergliederungen eine Resolution zur Verfügung stellen, mit der sich die Ortsgruppen an ihre regionalen Entscheidungsträger_innen wenden können.
Empfänger_innen: Abgeordnete des Europaparlaments, des Bundestags und der Landesparlamente sowie die Europäische Kommission, die Bundesregierung und Landesregierungen.